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Im Schnack: Moderator Ingo Schmoll

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Bei einer Recherche zu „Twin Peaks” habe ich entdeckt, dass Fernseh- und Radiomoderator Ingo Schmoll, meine Leidenschaft an Filmschauplätze zu reisen, teilt. Sofort war klar, dass ich ihn früher oder später mal dazu interviewen möchte. Hier verrät er nun, was die Drehortbesuche für ihn ausmachen, auf was man sich als Filmtourist so einstellen sollte und warum es eigentlich noch keine Sendung darüber im Fernsehen gibt.

Kannst du bitte kurz erzählen, wann und wie du das Setjetting für dich entdeckt hast?

Ingo: Das muss bei meinem ersten Besuch in Los Angeles 1990 gewesen sein, sozusagen automatisch, weil die ganze Stadt ja quasi ein Filmset ist. Der Drehort, auf den ich zuerst stieß, war das Century Plaza Building im Wilshire Business District. Das Gebäude ist im ersten Teil von „Stirb langsam” der Nakatomi Tower, auf dem Bruce Willis mit Alan Rickman herumturnt. Ich fand es spannend zu sehen, wie sich die Orte im wahren Leben anfühlen, im Gegensatz zu dem Bild, welches man beim Gucken des Films hat. Manchmal deckt sich die Vorstellung mit dem realen Ort, oft aber kein bisschen. Beides finde ich spannend.

An welchen Orten hattest du dein intensivstes „Wie-im-Film”-Gefühl?

Ingo: An den Drehorten aus dem eher weniger erfolgreichen Nachfolgefilm von „Die fabelhafte Welt der Amélie” mit dem leider schlimmen deutschen Titel „Mathilde - Eine große Liebe”. Jedenfalls ist das ein sensationeller Film von Jean-Pierre Jeunet. Die Locations aus dem Film, der kurz nach dem ersten Weltkrieg spielt, sind ebenfalls sensationell. Viele davon in Paris und etwas außerhalb, wie etwa das Restaurant unter der Herberge (Auberge Ravoux), in der Vincent van Gogh kurz nach seinem Selbstmordversuch starb.

Drehort aus "Mathilde - Eine große Liebe", Auberge Ravoux © Ingo Schmoll

Drehort aus „Mathilde - Eine große Liebe”, Auberge Ravoux © Ingo Schmoll

Mein Favorit aus diesem Film ist aber ein Haus in der Bretagne, in dem die Hauptdarstellerin Audrey Tatou im Film bei ihrer Tante und ihrem Onkel aufwächst. Nach einer extrem langen Nadel-im-Heuhaufen-Recherche inklusive stundenlanger Google Maps Satellitenbildsuche, wo dieses Haus überhaupt steht, kam ich dann eines Tages auf das erfreulicherweise unbewohnte Grundstück, direkt an der bretonischen Küste bei Plougrescant. Ich war sofort voll und ganz im Film. Ich glaube, ich hing dann mehrere Stunden dort ab und war wie berauscht. Ich wollte gar nicht mehr gehen.

Drehort aus "Mathilde - Eine große Liebe", Bretagne © Ingo Schmoll

Drehort aus „Mathilde - Eine große Liebe”, Bretagne © Ingo Schmoll

Bist du auch schon mal nur wegen eines bestimmten Filmes oder einer Serie an einen Ort gereist oder nutzt du einfach die Gelegenheit, wenn du sowieso mal in der Nähe bist?

Ingo: Ich plane eigentlich seit fast 20 Jahren jede Reise im Zusammenhang mit Drehorten. Bin ich beruflich unterwegs, gucke ich vorher, was es an den Orten vielleicht für Drehorte gibt.

Von welchem Filmschauplatz hattest du dir viel versprochen, warst jedoch schließlich enttäuscht? Gab es negative Erfahrungen bei der Drehortsuche?

Ingo: Enttäuscht war ich eigentlich noch nie. Vielleicht nur oft sehr überrascht, wie anders es sich anfühlt als im Film. Da kommen mir als erstes die Drehorte aus „Breaking Bad” in Albuquerque in den Sinn, die sich allesamt nicht ansatzweise so unterkühlt und nach Verbrechen anfühlen, wie in der Serie. Eigentlich eher wie ganz normale und schöne Familiengegenden. Aber auch das finde ich spannend. Wie man einen Ort wirken lassen kann und wie er real aussieht bzw. sich anfühlt.

Drehort aus "Breaking Bad", Albuquerque © Ingo Schmoll

Drehort aus „Breaking Bad”, Albuquerque © Ingo Schmoll

Drehort aus "Breaking Bad", Albuquerque © Ingo Schmoll

Drehort aus „Breaking Bad”, Albuquerque © Ingo Schmoll

Gerade in den USA kommt es leider häufig vor, dass viele Häuser und sonstige Gebäude nicht mehr stehen, weil viel abgerissen und neu gebaut wird. Der Schuppen, in dem etwa „Reservoir Dogs” größtenteils spielt, ist inzwischen nur noch ein Parkplatz, der „Honey Bunny” Diner aus „Pulp Fiction” steht auch nicht mehr. Hin und wieder ist es auch recht abenteuerlich, an Filmlocations ran zu kommen. Beispielsweise hab ich beim Versuch, mir ein unbewohntes Haus aus der französischen Serie „The Returned” anzusehen, eine Alarmanlage ausgelöst, die das Dorf im darunter liegenden Tal beschallte.

Was hat es mit dem Projekt „Schmollywood” auf sich und wie geht es da weiter?

Ingo: Schmollywood ist der Pilot einer Dokureihe, den ich 2014 in Los Angeles gedreht habe. Es geht da genau um das Thema Drehortsuche bzw. -besuche. In der ersten Folge ging es um die „Zurück in die Zukunft”-Filme. Besonderen Wert haben wir dabei darauf gelegt, keine klassische „Making Of”-Perspektive zu zeigen, also nur ein paar Macher der Filme zu befragen, sondern Menschen zu treffen, die an den Drehorten tatsächlich leben oder arbeiten. Das eröffnet wiederum viele coole Seitenstränge. So lernte ich beispielsweise auf der Veranda von Lorraines Haus aus „Zurück in die Zukunft” (ja genau das Haus, an dem George McFly Lorraine vom Baum aus bespannt) Charles kennen, der eigentlich gar nichts von seinem Glück wusste, als er das Haus seinerzeit kaufte. Er wunderte sich dann, warum regelmäßig Leute kommen und sein Haus knipsen wollen. Charles selbst ist übrigens bei der Nasa und arbeitet an Mars Missionen, also echten, nicht denen aus dem Kino.

Drehort aus "Zurück in die Zukunft", Los Angeles © Ingo Schmoll

Drehort aus „Zurück in die Zukunft”, Los Angeles © Ingo Schmoll

Lorraines Haus aus "Zurück in die Zukunft", Los Angeles © Ingo Schmoll

Lorraines Haus aus „Zurück in die Zukunft”, Los Angeles © Ingo Schmoll

Schmollywood machte dann eine Reise durch diverse deutsche Sender, wo es überall für sehr gut befunden wurde, sogar mehr als das. Kurzum: den Privaten war es nicht platt genug, den Öffentlich-rechtlichen zu „spezialisiert”. Aber Hand aufs Herz, wundert es uns, dass es sich schwierig gestaltet, im größtenteils grausamen deutschen Fernsehen ein innovatives, neues, nicht schon fünfmal im Ausland erfolgreich getestetes Format unter zu bekommen? Also mich ehrlich gesagt weniger. Aktuell unterstützt uns eine große Kölner Produktionsfirma bei der Akquise und Totgesagte leben ja bekanntlich länger… Aber man braucht einen extrem langen Atem in dieser nicht gerade von mutigen und innovativen Entscheidern geprägten Fernsehlandschaft.

Welcher Drehort steht noch ganz oben auf deiner Wunschliste?

Ingo: Alle möglichen aus „Game of Thrones”. Wobei mir das fast zu einfach ist. Inzwischen mag ich es besonders, wenn mir die Suche Rätsel aufgibt. Vor kurzem habe ich die Drehorte aus Wes Andersons “Die Tiefseetaucher”(This life aquatic) in Italien besucht, die ich fast alle in ziemlicher Kleinstarbeit recherchiert habe. Sie dann am Ende wirklich zu finden, hat etwas von Weihnachten und Geburtstag zusammen. Aktuell wären sonst noch auf der Liste: die Rhode-Island-Drehorte aus „Moonrise Kingdom” und Alberta in Kanada für „The Revenant”. Und natürlich die Drehorte der besten Serie überhaupt gerade: „Fargo”.

Wir durften ja beide im Büchlein „Es war einmal…” in unseren Star-Wars-Erinnerungen schwelgen. Hast du auch schon mal einen der Star-Wars-Drehorte besucht oder gibt es da einen Ort, den du gerne einmal live sehen würdest?

Ingo: So viele reale Orte gibt es da ja leider nicht. Tunesien , Death Valley… das Lake District aus dem aktuellen Film sah cool aus. Bei Star Wars würden mich aber glaube ich die Studiosets mehr flashen.

Du hast auch schon des Öfteren als Schauspieler gearbeitet. Wie wichtig denkst du ist der Drehort für die Schauspielarbeit und die Produktion?

Ingo: Schauspielerei würde ich meine kleinen Ausflüge jetzt nicht nennen, das wäre gegenüber richtigen Schauspielern nicht ganz fair. Ich denke aber, je realer ein Ort, je besser das Szenario, in das man sich für seine Rolle hinein finden soll, desto leichter sollte es dem Schauspieler fallen.

Mit welchem Genre kann man dich filmisch begeistern? Welche Regisseure und Schauspieler überzeugen dich? Bist du eigentlich auch ein Serienjunkie?

Ingo: Serienjunkie, eindeutig ja! Fargo, Better call Saul, Banshee, Game of Thrones, Vinyl, House of Cards, es gibt zu viel gutes! Filmisch haut mich vor allem Scorsese immer wieder um, Brian de Palmas Filme liebe ich, Wes Anderson und David Lynch, der ja gerade neue Staffeln zu „Twin Peaks” dreht!!! Ridley Scotts Sachen finde ich meistens toll. Insgesamt schon eher gute Dramen und weniger Comedy oder reine Actionfilme. Wenn Comedy dann Woody Allen, jedes Jahr ein Film und immer irgendwie gut. Am meisten hasse ich Superhelden-Filme, da ich diese CGI Tricks nicht mehr ertrage. Dann lieber direkt Animationsfilme. Ich gebe mir in dem Genre maximal „Iron Man”, aber auch nur weil ich Robert Downey Junior Fan bin, aber ansonsten geht das alles gar nicht. Leider produziert Hollywood gerade massenweise so Zeug.

Als ich dich in den 90ern zum ersten Mal im TV sah, war ich noch Teenager und du Moderator bei MTV Europe. Daher muss die noch Frage sein: Warst du auch schon mal am Drehort eines Musikvideos?

Ingo: Ja, an diversen Sets, zum Beispiel von Culture Beats „Mr. Vain”. Ich habe sogar schon selbst an Musikvideos mitgewirkt (kettcar, „Schrilles buntes Hamburg”) und Regie geführt (ATB, „When It Ends It Starts Again”). Das war in Las Vegas mit Schauspielern und allem Drumherum inszeniert, ein riesen Spaß! In Pasadena habe ich die Huntington Gardens, den Drehort aus Duran Durans „Ordinary World”, besucht.

Drehort aus "Ordinary World", Huntington Gardens, Los Angeles © Ingo Schmoll

Drehort aus „Ordinary World”, Huntington Gardens, Los Angeles © Ingo Schmoll

Linktipps:
Ingo Schmoll auf den Spuren von „Twin Peaks”
Ingo Schmoll am Set von „Ordinary World”

Der Beitrag Im Schnack: Moderator Ingo Schmoll erschien zuerst auf Filmtourismus.de.


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